Dominik hat Mazay gegründet und fünf Jahre geleitet. Jetzt verlässt er uns. Mit diesen Gedanken.
Schöne Erinnerungen: Abschiedsfotos mit den Vorstandsmitgliedern.
Man sollte bescheiden sein.
Ach, scheiss drauf. Ich bin stolz.
Ich bin stolz auf das, was wir zusammen geschaffen haben. Ich bin stolz auf Mazay.
Fünf Jahre, nachdem ich den Verein mitgegründet habe, verlasse ich Mazay. Bevor ich gehe, will ich noch einmal zurückblicken. Aus meiner persönlichen Sicht.
Am ersten Tag gabs Schokoladenkuchen. Im Schulzimmer sassen Pinar und Habib, Merkeb, Abi und weitere, alle neu in Bern und noch im Asylverfahren. Bis zum Asylentscheid werden Geflüchtete kaum gefördert; das wollten wir mit unseren Kursen ändern. Wir hatten ein viel zu kleines, sehr farbiges Zimmer in einem zwischengenutzten Haus, Tische aus Spanplatten und eine alte Wandtafel. Vom Unterrichten hatte ich wenig Ahnung. Es war super. Alles war neu und aufregend, alles improvisiert und von uns gestaltet. 16 Schüler*innen kamen jeden Vormittag zu uns in den Unterricht, anschliessend kochten und assen wir zusammen, nachmittags besuchten einige aus der Klasse Velokurse und Begegnungscafés, wir gingen zusammen auf den Gurten oder zu Kursen der Kulturschule.
Klassenfoto :)
Wir glaubten damals, es gehe um Sprache und Berufsperspektiven. Ging es auch. "Versehentlich" ist jedoch noch etwas anderes entstanden, dem ich heute mehr Gewicht beimesse: Beziehungen. Richtige Beziehungen. Beidseitige. Ohne professionelle Distanz. Als Abi heiratete, war ich ihr Trauzeuge. Pinar und Merkeb sind im Vorstand unseres Vereins. Habib ist für mich ein Freund und ein Vorbild.
Freiwilligenarbeit hat im Asylbereich eine grosse Bedeutung. Beziehungen, Nähe, Vertrauen, Augenhöhe: Sozialdienste und Behörden können dies nur selten erreichen. Freiwillige schon.
Aber: Genauso profitieren auch jene, die sich engagieren. Ich selber habe von Mazay stark profitiert. Vor Mazay hatte ich als Journalist gearbeitet, doch sah wenig Sinn darin, über neue Kreisel in Ittigen und den Steuerfuss von Frauenkappelen zu berichten. Ich wusste, was ich nicht wollte, aber nicht, was ich wollte.
Ich suchte nach Aufgaben, in denen ich mich voll einsetzen konnte. Man kann wohl sagen, dass ich eine gefunden habe. Mehr als das. Ich habe das Gefühl, mit Mazay gewachsen zu sein. Zunächst waren wir eine kleine Gruppe, ich begleitete Shima zur Asylanhörung und suchte mit Hakim Wohnungen. Wir wuchsen und bildeten mit Rafi, Ali, Pinar und Carlo eine Kerngruppe, überlegten uns in Workshops eine Strategie. Ich traf mich monatlich mit einem Mentoren, einem erfahrenen Organisationsberater. Zu unserer Gruppe gehörten bald 30, dann 40 Alltagsbegleiter*innen, ich war Koordinator, Vernetzer, manchmal Berater. Das Café kam dazu, dann die Nachhilfe, die Events, die Sportangebote, das Sommerprogramm. Plötzlich engagierten sich 100 Personen, Kommunikation und Fundraising wurden wichtiger. Und schliesslich konnten wir eine teilbezahlte Stelle schaffen, führten Bewerbungsgespräche und diskutierten, wer am besten zu uns passt. Für mich - ich mag Schulzimmer nicht so - war Mazay ein perfektes Lernumfeld.
Es ist für mich eine grosse Befriedigung zu sehen, dass so viele Menschen an Projekten mitarbeiten, die ich mitgeprägt habe. Stolz macht mich, dass das Erschaffene ohne mich weitergeführt wird.
Warum ich Mazay verlasse? Weil ich glaube, dass Initiativen nur dann nachhaltig sind, wenn sie weiterlaufen, wenn die Initianten weg sind. Weil es nach fünf Jahren vielleicht auch mal neue Impulse, einen neuen Blick braucht. Und weil ich jetzt, nach der Erfahrung mit Mazay, noch hunderttausend Ideen habe, was ich sonst noch machen könnte. Meine Nachfolgerin Salome hat es mir leicht gemacht, meine Aufgaben mit einem guten Gefühl zu übergeben.
Ich sitze in einem kleinen Café in Beirut, als ich diesen Text schreibe. Wenns regnet, fällt in meiner WG das Internet aus, darum arbeite ich hier. Mit türkischem Kaffee und arabischer Musik, eine der Café-Betreiberinnen singt mit, während sie Kräuter hackt. Ich werde die nächsten vier Monate hier, im Libanon, verbringen und einen Freiwilligeneinsatz machen. Wie es dann weitergeht, weiss ich nicht.
Vielen Dank für alles, was ich bei Mazay erleben durfte! Ich bin stolz auf das, was wir zusammen geschaffen haben.
Abschiedsfest.
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